Massenveranstaltung [Fußball]

Es gibt Menschen, die finden Konzerte oder ein Fußballspiel richtig gut und geben dafür auch mal richtig viel Geld aus. Die docken an der Masse an und schwingen mit. Ich gehöre definitiv nicht dazu, da ticke ich auch einfach anders. Das war schon immer so.

Gestern war ich auf eine der für mich absurdesten Veranstaltungen meines Lebens. Ich hatte schon vor Jahren meinem mittleren Sohn versprochen, mal mit ihm zu einem Darmstadt98-Spiel zu gehen. Eigentlich dachte ich dabei ans Böllenfalltor, also, in Darmstadt, dort bekommt man als Nicht-Vereinsmitglied allerdings keine Karten, oder ich stelle mich bei dem Online-Wust auch einfach zu blöde an.

Nun gab es aber die Möglichkeit, zu einem Auswärtsspiel in Heidenheim zu fahren. Es ist nicht allzuweit weg, also, es geht definitiv schlimmer. Karten besorgt, ausgedruckt, alles klar. Wir fuhren also gestern gegen 10:45Uhr los.

Mit einem Zwischenstopp zum Mittag beim Landgasthof zum Rappen (mein Sohn wäre lieber und gerne zum McKotz oder Wörgerking gegangen, aber ich esse da eben auc lieber richtiges Fleisch als … naja..) kamen wir gegen 14:15Uhr in Heidenheim an. Wir kamen an einen großen Parkplatz an, an der Straße daneben steht ein Bus „Shuttle zum Stadion“, das noch ca. 3km entfernt war. Der Bus kostete nichts. Wir stiegen ein. Nur Heidenheimer Fans. Egal, war kein Problem.

Bei der Ankunft fiel mir sofort das riesige Polizeiaufgebot auf. Wow. Was sowas wohl kostet? Und wer bezahlt das? Achja, richtig, der Steuerzahler. Gedanken dazu: „Warum muß ich das mitbezahlen? Werden Vereine da mit in die Pflicht genommen? Ist es das ganze überhaupt Wert?“

Wie gesagt, ich habe keine Ahnung von nix und ging erstmal an die falsche Schlange, aber schnell und durch Nachfragen wurden wir an die richtige Stelle gelotst. Da sahen wir dann auch Darmstadt98-Fans. Gut. Bis dahin hatte ich folgende Vorstellung eines Stadionbesuches im Kopf: Man schaut dem Spiel zu, feuert, wenn man will (ich ja nicht, da bin ich leidenschaftslos wie ein Stein), „seine“ Mannschaft an und das wars.
Als wir in den Fanblock kamen, wir standen mittendrin, sah man aber vor lauter Fahnen so gut wie nichts vom Spiel, vorne dran 2 Animateure mit Megafons „bewaffnet“, die mit dem Rücken zum Spielfeld in die Menge brüllten. Ich habe wirklich nichts verstanden, aber fast alle um uns herum brüllten auf und klatschten nach den „Vorturnern“ vorne mit Megafon.
Mein Sohn bekam eine Fahne in die Hand gedrückt und schwenkte sie. Da er kleiner ist als viele um ihn herum, fuhrwerkte er so in die Gesichter der Leute vor sich. Ich bekam eine Vorstellung zur Entstehung des Wortes „Rotzfahne“. Er wollte die Fahne dann mir geben, aber ich wehrte ab. Schließlich übernahm dann jemand anders die Fahne.

Kurz vor Ende der 1. Halbzeit fiel das 1:0 für die Gastgeber. Aber das veranlaßte die „Vorturner“, nur noch mehr zu animieren – ich bekomme den Eindruck, daß die anstrengendere „Arbeit“ leisten als die auf dem Fußballfeld.

Es wurden Lieder à la „Darmstadt 98 du bist mein Leben“ gegröhlt und vieles mehr. Da ich schon einigen charismatischen Gottesdiensten beiwohnte, spürte ich doch eine gewisse Ähnlichkeit. Die Fahnen, das Gesinge, diese Leidenschaft. Und ich mittendrin. Als Christ. In Heidenheim. Kann man sich deplatzierter fühlen? Gut, das war nur ein kurzer Gedanke dabei. Ich hab das Spektakel nur innerlich kopfschüttelnd beobachtet. Wegen der Kälte, die mir zunehmend in die Knochen kroch (die „Voith Arena“ liegt um die 600m ü.N.N., da lag also noch Schnee), hatte ich meine Arme verschränkt.

Zur 2. Halbzeit wechselten wir zu einer Stelle, wo man mehr sehen konnte. Weniger Fahnen, weiter oben, auch die Trommel und die Megafone wurden leiser. Mehr vom Spiel. Wir sahen 2 Tore für Darmstadt. Die wurden natürlich in der Stadionanzeige nicht so ausgebreitet, wie die der eigenen Mannschaft.

Weitere 2 Gegentore sahen wir schlecht, weil sie auf der gegenüberliegenden Seite geschossen wurden. das Spiel wirkte auf mich wie Gebolze. Gedanke einmal mehr: „Der Fußball wird völlig überschätzt. Nimmt sich einfach viel zu wichtig“. Gut, waren 2 Aufsteigermannschaften. Trotzdem. Mein Eindruck auch danach ist: Da wird viel zu viel Wind um das Gekicke gemacht, bzw. das ist dabei einfach meine Meinung.
Die Stimmung wurde aufgeheizter, die Animateure gaben ihr letztes. Es wirkte auf mich aggressiver. Am Ende verlor Darmstadt 2:3 und wir mußten einen großen Umweg zu den Shuttlebussen laufen, weil die Polizei bzw. „Security“ den direkten Weg versperrte, damit sich die Fans der gegnerischen Mannschaften nicht begegneten.

Immerhin waren in den Shuttlebussen zurück die Heidenheimer Fans gut gelaunt und da war es nicht schlimm, daß wir als „Darmstädter“ dabei waren. Dabei fiel mir auf, daß das Verkehrskonzept ganz gut war, die meisten darmstädter Fans jedoch reisten wohl per Bus an, die direkt am Stadion standen. Aber ich fragte mich, wo man in Darmstadt große Parkplatzflächen für auswärtige Fußballfans ausweisen könnte und ob es da wohl auch Shuttlebusse gibt? Heidenheim hat jedenfalls 3 Park&Ride-Parkplätze: Nord, Ost und West. Ich unterhielt mich zurück im Bus noch mit einem Heidenheimer, der mir erklärte, daß gerade mehr Stau wegen des Weihnachtsmarktes wäre. Ich entgegnete, daß es in Darmstadt garantiert schlimmer ist. Allerdings kamen wir auch erst gegen 18:20Uhr los, weil die Shuttlebusse im Stau standen.

Zurück fuhren wir wieder beim Rappen vorbei und zwischendrin, als wir über den Spessart fuhren, überlegte ich, ob das Auto auch ein Echolot hat, weil es wirklich extrem regnete. Um Würzburg herum war die Autobahn auf 80km/h deswegen begrenzt. Immerhin war kaum Verkehr. Um 21:40 waren wir wieder zu Hause.

Insgesamt ist diese Fußballwelt für mich eine extrem fremde. Bei größeren Vereinen mit mehr Geld spielen da für mich einfach nur überbezahlte Leute mit, die Fußball spielen. Die Fans und Fußballzuschauer, auch bei Dazn&Co, bezahlen das. Und ich unfreiwillig auch ein Bißchen. der Nutzen ist vielleicht, daß wir als Gesellschaft bzw. Land nicht wieder zurück in Kleinstaaterei mit Kleinkriegen verfallen. Ich weiß es nicht. Die Schlachtrufe, das Rumgefahne, lassen mich das denken. Ich denke auch, daß viele zu so einem Spiel gehen, vielleicht zusammen mit Fans im Bus schon ordentlich bechern, um aus ihrem Alltag auszubrechen und in ihre „Fußballwelt“ einzutauchen.

Ich bin Christ. Da habe ich etwas besseres. Vielleicht schüttel ich aus dieser Perspektive meinen Kopf darüber und empfand diese Veranstaltung als eine der absurdesten, die ich je erlebt habe.

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