Ich dachte immer, Entscheidungen, gerade von Verantwortlichen, fußen auf Fakten. Vielleicht war das früher mal so, als man es sich (anscheinend) nicht leisten konnte, „postfaktisch“ zu handeln.
Heute fußen viele Entscheidungen auf Gefühlen. Das fand ich anfangs sehr verwirrend, weil ich ja weiß, das Gefühle nun wirklich nichts sind, worauf man sein Leben aufbauen sollte. Ich glaube, daß Gefühle letztlich ein Ergebnis von Gedanken sind. Und Gedanken könnte man sich ja aufgrund von Fakten machen. Also wären Gefühlswahlen ja dann doch faktenbasiert.
Das Ding ist jedoch, daß die meisten sich kaum um Fakten scheren. Redet man zB mit AfD-Befürworten, merkt man schnell, daß eben diese, ich nenne sie mal „AfDler“ glauben, daß die AfD das tut, was eigentlich die Linken im Programm stehen haben (zb eine gewisse Umverteilung von „reich“ nach „arm“). Wenn man versucht, mit Fakten zu argumentieren, heißt es dann schnell, daß die meisten Menschen die Fakten kognitiv nicht verarbeiten können. Ich bin mir da ehrllichgesagt nicht sicher, vielmehr scheint es mir eher so, als wäre die „breite Masse“ schlichtweg zu faul dazu. Es ist natürlich leichter, sich eine vorgekaute Meinung („scheiß Ausländer!“) anzueignen anstatt sie sich selbst zu bilden (und etwa mal zu schauen, wieviel die „scheiß Ausländer“ uns, verglichen mit zB den Steuerersparnissen von IKEA, Amazon & Co tatsächlich kosten). Entsprechend fallen dann auch die Wahlen aus. Und postfaktisch reagieren da meiner Meinung nach die derzeit regierenden Politiker darauf („wir verstehen den Rechtsruck nicht“), statt mal zu überlegen, ob es nicht vielleicht doch mit Geldverteilung, Lobbyismus und Aushöhlung vom Grundgesetz zu tun hat.
Postfaktisch erlebe ich auch die Benutzung von diversen „praktischen“ Dingen im Internet. Da werden im Prinzip Verträge per Touch (akzeptieren der AGB) abgeschlossen, ohne, daß man sich die Verträge durchgelesen hat.
Postfaktisch ist meiner Meinung nach auch die Tatsache, daß man Windows noch als ein „professionelles System“ benutzt. Dabei begünstigt es zumindest Industriespionage. Meine Beweiskette dazu: Seit 1999 ist bekannt, daß es einen „NSA-Key“ im Windows-System gibt. Seit 2013 (Snowden) wissen wir, daß es tatsächlich das ist, wonach es klingt. Und man ist sich recht sicher, daß die NSA Industriespionage (zumindest begünstigt. Faktisch sehe ich das simpel so, daß man Windows nicht mehr als „professionelles System“ sehen kann (wenn ich den Quellcode dazu nicht einsehen kann).
Aber es wird, wie es so schön heißt, „politisch beschlossen“. Wenn man dumme Entscheidungen trifft, heißt es dann eben auch, „das ist eben politisch“, also eine vornehme Umschreibung für eine Scheißentscheidung.
Wenn wir als Gesellschaft und Politik demnach nicht mehr der Realität ins Auge sehen können, weil sie uns (von den Medien) vorenthalten wird oder wollen, weil sie wir uns mit anderen Dingen davor ablenken, geraten wir alle in eine gewisse Schieflage, die heute schon bemerkbar ist, in Zukunft jedoch viel schlimmer sein wird.
Das Problem sehe ich dabei nicht in den Herausforderungen, die wir haben, sondern darin, daß man sich nicht mehr mit den Problemen beschäftigt, sondern oft irgendwie schnell handelt, um zu zeigen, daß man was tut. Aber eben diese Handlungen erscheinen mir ebenfalls „politisch“.
Ich könnte nun auch anführen, daß wir uns nicht wundern brauchen, daß wir so viele Flüchtlinge kriegen und wer glaubt, Frau Merkel hätte sie einfach so ins Land gelassen, irrt: Merkel reagierte, was hätte sie machen sollen? Einen Schießbefehl erteilen, um zig- oder hunderttausende abzuknallen? Nein, die Flüchtlingswelle ist ein Ergebnis von Waffenlieferungen, fehlenden Geldern zur Ernährung der Flüchtlinge vor Ort und dem Ruinieren der afrikanischen Wirtschaft durch EU-Handelsabkommen („TTIP für Arme“). Das Problem ist also nicht direkt Frau Merkel, die scheinbar unsere Grenze geöffnet hat, sondern die Gier der ganz Reichen (Manager von Waffenherstellern und anderen Großkonzernen), die den Hals nicht vollkriegen. Dagegen müßte man was tun, nicht gegen „die scheiß Ausländer“! Und ja, Frau Merkel bzw. deren Partei begünstigt genau das und wird (trotzdem oder deswegen?) wiedergewählt. Achso ja, und Realsatire ist meiner Meinung nach auch, daß sich jetzt viele darüber Beschweren, daß sie zum 4. Mal antritt. Dazu kann ich nur entgegnen „Wer Jahre und Jahrzehnte lang die Alternativlosigkeit gewählt hat, braucht sich jetzt nicht genau darüber wundern!“
Wahrscheinlich liegt ein Kernproblem in der unterschwelligen Aussage, daß das beste bereits hinter uns liegt und daß es damit unvermeidbar ist, daß wir immer mehr in die Scheiße geraten. Ich glaube jedoch, daß das Blödsinn ist. Möglicherweise geht es uns zu gut, daß wir uns immer mehr „politische Entscheidungen“ leisten können.
Ich bin an der Stelle immerwieder froh, Christ zu sein, auch, weil ich weiß, daß das beste noch vor mir liegt.