Es ist schon erstaunlich, wie ein Volk kollektiv seine Freiheit wegschmeißt. Eine Freiheit, die über lange Zeit erkämpft wurde. Aber es ist natürlich nur allzu verführerisch, wie das geschieht. Sicher, vieles wird dem User einfach einfach gemacht – und der blutet dafür versteckt und zunächst unbemerkt umso heftiger. Beispiel Whatsapp: Ich weiß nicht, seit wann es das XMPP (Jabber Chat Protokoll) gibt. Da Jabber noch aus der ICQ-Zeit stammt, ist es sicher schon 15 Jahre alt, eher älter. Es gibt viele Clients für alle Plattformen vom uralt-PC bis hin zu jedem (!) Smartphone. Sicher, die Clients sind oft nicht so gut ausgearbeitet, was jedoch auch oft daran liegt, daß das politisch auch so gewollt ist (zB chatsecure in Apples iOS).
Segen und Fluch zugleich: Freiheit, nämlich, die Freiheit, sich bei einem frei gewählten Jabber-Server anzumelden, mit einem frei gewählten Nicknamen. Alternativ: Einen eigenen Jabber-Server aufmachen. Das funktioniert sogar theoretisch auf einem RaspberryPi hinter einer Fritz!Box, sofern man sich bei NoIP bzw. MyFritz angemeldet hat (um bei wechselnden zugewiesenen IP-Adressen immer denselben Hostnamen zu behalten).
Das scheint aber alles viel zu kompliziert. Nein, es muß für Strunzdoofe sein. Aber auch da gibt es zB bei Pidgin und/oder xabber die Möglichkeit, sich direkt per App sich auf einem Server, der das zuläßt, zu registrieren. Hint: Da Jabber Open Source ist, also, kein Geld dahintersteckt, kennt es keiner.
Nun kommt die Whatsapp daher, krallt sich den ejabberd, modelt ihn um und macht daraus eben den eigenen Whatsapp-Server, bastelt noch ein klickibunti obendrauf und fertig ist die Sause. Scharenweise registrieren sich die Nutzer und so erreicht Whatsapp eine gewisse Marktmacht. Kaum einer denkt daran, was er tut, wenn er sich diese App installiert. Mal Hand aufs Herz: Wer hat sich im einzelnen durchgelesen, worauf diese App alles Zugriff haben möchte? Ich schon – und mir wurde schlecht. Aber mit einem tip auf dem Display ist das auch schon wieder weg. Man verdrängt es, wohlwissend, daß man so etwas unterstützt, was doch eigentlich falsch ist. Aber es ist ja so einfach und alle nutzen es. Und doch bleibt am Ende ein Hauch von schlechtem Gewissen.
Was will denn Whatsapp alles wissen und worauf möchte es Zugriff haben:
1) Die Handynummer.
Für mich als Handy-Nutzer, der sein Handy kaum nutzt, ist das wahrscheinlich egal. Die können sie haben. Ich benutze mein Handy hauptsächlich, wenn ich Rufbereitschaft habe.
2) Standort
Man kann den Standort eines Gerätes sowohl per GPS als auch per Netzwerk feststellen. Das wird verarbeitet. So kann Whatsapp also ein Bewegungsprofil erstellen.
3) Zugriff auf den Handyspeicher
Whatsapp kann auf alles, was gespeichert wurde, zugreifen. Ob dabei ggf. Daten „nach Hause“ (also zu Whatsapp) gefunkt werden, weiß man nicht. Dazu gehören eben auch alle möglichen Bilder und Videos, die man erstellt/geknipst hat.
4) Zugriff auf die Kamera
Nehmt euer Smartphone mit aufs Klo und sie können euch beim Kacken zuschauen. Theoretisch.
5) Zugriff auf das Mikrofon
Wolltet ihr schon immermal eine Wanze mit euch rumschleppen?
6) Zugriff auf Kontoinformationen
Ich gehe mal davon aus, daß man so auch andere Kontoinformationen, mindestens also den Login und den zugehörigen Server, ablesen kann. So weiß man zB, wo man seine E-Mails abruft. Wahrscheinlich könnte man relativ einfach auch die Passwörter dazu hacken.
7) Zugriff auf Kontaktinformationen
Stellt euer Adressbuch doch gleich irgendwo als plain Text (Klartext) online.
8) Zugriff auf SMS
Das muß sie tun, weil man sich per SMS registriert. Das ist ist heute vmtl. weniger wichtig, weil wegen Whatsapp ja kaum noch einer SMS verschickt. Wenn doch, wird auch das natürlich mit hoher Wahrscheinlichkeit „nach Hause“ gefunkt – kost ja nix.
Es gibt noch mehr, was die Whatsapp wissen will, denke ich. Aber das fiel mir gerade so ein.
Die AGB sagt ferner, daß alles, was über Whatsapp verschickt wird, auch an Whatsapp geht. Das heißt also, wenn ihr ein süßtes Kleinkind fotografiert und das per Whatsapp verschickt, und Whatsapp gefällt das und kann das Bild verkaufen, wundert euch nicht, wenn dann eines Tages jenes Kind auf einem Werbeplakat Werbung für NesTea macht (oder sonst einem Zuckerwasser) – verhindern könnt ihr das dann jedenfalls nicht.
Das ist nur ein Beispiel von sicherlich vielen, ach-so-bequemen Apps, die unser Leben ach-so-smart machen. Sport-Apps, die die schritte zählen, etc. pp. Viele „nette“ Spielereien, die am Ende kein Geld – aber doch eure Daten kosten. Und die werden meiner Meinung nach völlig unter Wert verkauft.
Richtig schlimm finde ich, wenn man mehr oder weniger dazu gezwungen wird. Ich fürchte, daß ich eines Tages kein normales Auto, keine Normale Spül- oder Waschmaschine mehr kaufen kann, weil sie dann alle „smart“ sind, sich alle an einem Netzwerk anschließen müssen und sich „im Internet“ erstmal anmelden müssen, bevor sie funktionieren. Der Trend geht dahin und fast alle finden das auch noch geil. Ich nicht. Mir wird, wie gesagt, schlecht bei dem Gedanken.
Es führt noch zu etwas anderem: Wir geben unser Leben aus der Hand. Das ist schön bequem, wenn wir nicht mehr selbst schauen müssen, ob das Waschmittel alle ist, oder kein Käse mehr im Kühlschrank. Es wird automatisch nachbestellt.
Schon heute wird man durch sozialen Druck dazu gezwungen, seine Würde an Whatsapp abzugeben, weil mehr und mehr statt E-Mail die Whatsapp benutzen. Es ist ja so viel bequemer. Und doch hat es einen Haken: Man gibt Kontrolle an einen Konzern ab. Das muß jedem klar sein.
Das gilt auch inzwischen für viele „smarte Geräte“. Apple ist dort sehr konsequent: Ich habe für iOS bislang keinen Jabber-Client gefunden, der wirklich gut funktioniert. Der App „Chatsecure“ wird von Apple verboten, im Hintergrund zu laufen. Kontrolle geht anders: Der Benutzer selbst sollte das doch entscheiden dürfen! Aber das aus-der-Hand-geben von Kontrolle gibts eben auch für Android: Der Benutzer hat eben keine Adminrechte. Erstmal. Verschafft er sich die, erlischt oft der Garantieanspruch. Man kriegt jene „smarte Geräte“ mit Firmwares, die man nicht tauschen kann, deren Programmablauf man nicht beeinflussen bzw. einsehen kann, man kauft also eine „black Box“ und darf sie benutzen, aber nicht wirklich besitzen. Mein Eindruck ist, daß das die meisten auch gar nicht wollen, denn damit schieben sie die Verantwortung der eigenen Datensicherheit auf eben jene Konzerne ab, von denen sie ahnen und glauben, daß ihre Daten nicht geschützt sind. Pseudoargumente sind dabei „ich habe ja nichts zu verbergen“ und „die anderen machen das doch auch“. Letzteres ist kein Argument für mich, denn wenn etwas falsch ist, dann ist es falsch, egal, wieviele es noch tun. Es ist in meinen Augen falsch, weil man betrogen wird: Werden Sicherheitslücken im Android gefunden, werden sie für ältere Geräte nicht mehr geschlossen. Klar, denn eine Firma, die ihr Geld bekommen hat, hat kein Interesse daran, daß der Benutzer das Gerät sicher weiterbenutzen kann, der soll sich gefälligst ein neues kaufen. Apple gibt Upgrades heraus, die jedoch ältere Geräte bis zum Erbrechen ausbremsen und so unbenutzbar machen.
Ich schaue mir das an und frage mich, warum die Menschen ihre Würde, ihre Freiheit bzw. große Teile ihres Lebens dabei einfach so wegschmeißen. Nachvollziehen kann ich es nicht. In immer mehr Bereichen kommen eben diese „smarten Geräte“ und übernehmen letztlich Kontrolle. Und genau darum geht es meiner Meinung nach: Kontrolle.
Nun ist die Politik daran, das Bargeld abzuschaffen, oder, naja, einzugrenzen. Immerwieder wird dabei das Pseudoargument des „Terrorismus“ angeführt, was ich für lächerlich halte. Immer dann, wenn die Politik mehr überwachen oder kontrollieren möchte, geschieht das aufgrund der „Sicherheit“ und weil man etwas gegen den Terror tun muß. Für mich ist das Sicherheitsesoterik. Ist das Bargeld mal weg, können Geldflüsse verfolgt werden. Einmal mehr sind wir gläsern. Einmal mehr wird Kontrolle gegen ein Stück undurchsichtiger Elektronik getauscht.
Ich bin Christ und sehe dem ganzen irgendwie auch gelassen gegenüber, ja, ich fühle mich in meinem Glauben irgendwo auch bestätigt: Die Bibel sagt in Offenbarung 13, 16-17: „Und es bringt alle dahin, die Kleinen und die Großen, und die Reichen und die Armen, und die Freien und die Sklaven, dass man ihnen ein Malzeichen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn gibt; und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, als nur der, welcher das Malzeichen hat, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.“ Wenn ich nun „Malzeichen“ gegen „Chip“ (zum Bezahlen) tausche, sehe ich, wo die Reise hingeht.
Lange fragte ich mich, warum Gott die Welt so kaputtmachen will, wie es in der Offenbarung beschrieben wird. Heute glaube ich mehr und mehr, daß die Gesellschaft sich die Suppe selbst einbrockt. Freillig, wissentlich, ignorant und damit auch willentlich. Ich kann darüber nur mit dem Kopf schütteln.
„Lange fragte ich mich, warum Gott die Welt so kaputtmachen will, wie es in der Offenbarung beschrieben wird. Heute glaube ich mehr und mehr, daß die Gesellschaft sich die Suppe selbst einbrockt. Freillig, wissentlich, ignorant und damit auch willentlich. Ich kann darüber nur mit dem Kopf schütteln.“
Ich hatte die Offenbarung immer so aufgefasst, dass die beschriebenen Übel für die Endzeit prophezeit sind, also dass diese Übel kommen, nicht aber warum bzw. wer der Verursacher dieser Übel wäre… Ich hatte es immer schon so interpretiert, dass sich diesen Schuh – wenn nicht der Antichrist – doch der Mensch vermutlich selbst anziehen muss…
Der Chef selbst wird uns wohlgesonnen bleiben, wie er es versprochen hat, da bin ich mir ganz sicher.
Deiner Analyse über den Zustand der smarten Gesellschaft kann ich nur anerkennend zustimmen. Es gibt nicht viele Menschen, die sich so klar und konsequent über die Auswirkungen des modernen IT-Konsums Gedanken machen.
Andererseits kann ich mit deiner Schlussfolgerung nicht viel anfangen, denn „wissentlich“ und „ignorant“ passen irgendwie nicht zusammen. Man hat zwar manchmal den Eindruck, dass die meisten Menschen durchaus ahnen, dass es nicht OK so ist, wie es läuft. Aber ihnen fehlt wohl doch allzu viel technisches Hintergrundwissen. Darauf deuten die immer wieder gleichen Entgegnungen wie z.B. „Und was sollen die jetzt mit meinen langweiligen Daten anfangen?“ hin. Bezeichnend: Die Quarks&Co.-Sendung über die Macht der ALGORITHMEN wurde in YouTube unter dem Titel „Die Macht der Daten“ eingestellt.
Es fehlen aber auch anthropologische und historische Kenntnisse. Diese sind nach meinem Dafürhalten genauso wichtig wie technische, um das Gefahrenpotenzial überhaupt einschätzen zu können. Ausgerechnet aus der gesellschaftswissenschaftlichen Ecke kamen die bislang besten Beiträge zu diesem Thema, beispielsweise von Frank Schirrmacher (leider vor einiger Zeit verstorben) und Harald Welzer.
Nun wüsste ich nicht, wie man jemandem Ignoranz zum Vorwurf machen sollte. Jeder könnte sich weiterbilden, richtig, aber zunächst müsste die Motivation dafür vorhanden sein. Das ist sie bei vielen anderen Bereichen in unserer Gesellschaft, die ebenfalls richtig übel laufen, aber auch nicht. Man kann immer nur Angebote machen, gerade so, wie Ulrike Herrmann das mit ihrem Buch über den Kapitalismus getan hat. Dem Durchschnittskonsumenten Fahrlässigkeit zu unterstellen, ist jedenfalls zu kurz gegriffen: Weil er die Gefahren der modernen IT nicht erkennt, sieht er keinen Bedarf, sich mal schlau zu machen. Und weil er sich nicht schlau macht, erkennt er die Gefahren nicht. Ein Teufelskreis.
Highlund: Ich finde schon, daß ettliche normale User, die irgendwo ahnen, daß was schief läuft, genau das verdrängen. Und das geschieht schon willentlich und wissentlich. Darauf wollte ich eigentlich hinaus. Würden sie es nicht verdrängen, würden sie sich mehr darüber informieren.
Das ist ja nicht nur der Nurmale User, sondern ganze Firmen, die – nach Snowden – immernoch brav US-Software nutzen, die von der NSA ferngesteuert werden kann. Es geht dabei um Firmen, Wissen, Patente. Es war übrigens ein US-Gericht, das feststellte, daß die NSA (ich glaube in den 1990ern) einer US-Firma dabei geholfen hat, Industriespionage zu betreiben. Wer das als Verantwortlicher für IT bei all dem vergißt, handelt fahrlässig. So sehe ich das mittlerweile. Es ist die verdammt unbequeme Konsequenz gepaart mit dem Gefühl von Machtlosigkeit (die es an der Stelle kaum gibt, aber gefühlt ist sie ja da) und nicht zuletzt die Politik, die der Open Source Welt einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine schmeißt (Open Source WLAN Treiber sollen verboten werden mit der Ergebnis, daß zB OpenWRT und LibreCMC kaputtgemacht wird). Aber was will man machen, unsere Gesellschaft hat die politischen Verantwortlichen ja (wieder)gewählt. Und daran ist sie selbst Schuld.
HoS: Warum den Umweg über politische Wahlen gehen? Was den IT-Konsum betrifft, kann jeder sofort und ganz direkt wählen bzw. abwählen. Ich bin mir hundertprozentig sicher: Würde eine nennenswerte Anzahl potenzieller Kunden – idealerweise die Mehrheit – IT nur in Verbindung mit ernsthaftem, sicherem Datenschutz nehmen, so würden ihnen auch entsprechende Angebote unterbreitet. Beklemmend an den derzeitigen Zuständen ist ja gerade, dass sich der IT-Nutzer mit seiner hoffnungslosen Defensivposition abgefunden hat und erst gar nicht daran denkt, Widerstand zu leisten. Stattdessen hört man das strunzendumme Argument, die moderne Google-/Facebook-/Apple-/Microsoft-Welt habe doch auch ihre guten Seiten. Als wäre es unmöglich, moderne Kommunikationsmittel so zu gestalten, dass sie wenigstens den grundsätzlichen ethischen Standards genügen.
Es ist so schrecklich würdelos. Es ist, als würden die Menschen mit einem Schild mit der Aufschrift „Demütigt mich!“ herumlaufen. Die IT-Industrie stellt immer wieder neue Honeypots hin, und dafür lassen sich die Nutzer bis auf die Unterhose durchleuchten und ihre Persönlichkeit kapitalisieren. Das erinnert mich an Erich Kästner: „So tief darfst du niemals sinken: Von dem Kakao, durch den man dich zieht, auch noch zu trinken“.
Aber die Menschen tun nun leider genau das. Daher hat auch kein Politiker eine Chance, der sich für Datenschutz einsetzt. Kurzfristig wären dann ja die Honeypots weg, und das würde niemand politisch überleben.