„Uli, heutzutage benutzt jeder Whatsapp, E-Mail ist out!“ höre ich immerwieder. Ich denke dazu nur „Wer bestimmt denn, was ‚in‘ ist und was ‚out‘ ist? Die Masse, denkt man. Und es stimmt auch. Nur: Ist es auch richtig?
Ich schaue mir das mal an. Das E-Mail-Protokoll ist offen und so hat kein Konzern alleine die Hand darauf. Theoretisch kann jeder zu Hause oder sonst wo (Server anmieten,…) seinen eigenen E-Mail-Server aufbauen. Es ist richtig, daß E-Mail erstmal nicht verschlüsselt und richtig ist auch, daß unsere E-Mails eigentlich Postkarten sind: Jeder Admin bzw. der im Netz mal etwas schnüffelt, kann mitlesen. Okay.
Aber mal ganz ehrlich: Um das Organisatorische einer Fußball-Eltern-Gruppe abzuwickeln, taugt es allemal. Bei E-Mail habe ich im Griff, was aus meinem Gerät (PC, Handy,..) rausgeht und was nicht.
E-Mail funktioniert dezentral und ist redundant, da die Server untereinander nochmal ein Netzwerk aufspannen.
Was die Geschwindigkeit angeht: Es ist abhängig vom E-Mail-Client, aber in Zeiten von IMAP4 geht die Übermittlung doch ganz ähnlich schnell wie ein Messengerdienst. Im Normalfall hat ja jeder eine E-Mail-Adresse und wenn nicht, kann man sich kostenlos und/oder für Geld und datenschutzgesichert eine Adresse zulegen. Und jedes Smartphone hat eine E-Mail-App bereits vorinstalliert.
Nun zu Whatsapp:
Es ist geschlossen (proprietär), und mußt dir die eine App installieren, um diesen Dienst auch nutzen zu kön/nen. Da diese App nicht quelloffen ist, weiß man auch nicht, was sie so alles macht. Zunächst wird halt erstmal Telefonverlauf, Adreßbuch,etc. pp. hochgeladen und man hat auf einem Computer (Handy) eine Kamera, Mikrofon, GPS, etc., auf dem eben diese undurchsichtige App unkontrollierten Zugriff hat. Ja, man könnte ja im Android-System die Zugriffe abschalten. Beim Adreßbuch funktioniert Whatsapp aber nicht mehr. Nichtmal, wenn es in der Androidenumgebung eines SailfishOS das Android selbst keinen Zugriff auf das SailfishOS-Adreßbuch hat (erzählte mein Kollege).
Ob nun Whatsapp tatächlich auch Mikrofone abhört, weiß ich nicht, es gibt vereinzelt Berichte darüber. Die Hand lege ich allerdings nicht dafür ins Feuer. Facebook zeigt außerdem ganz klare illegales Verhalten und schert sich einen Dreck um EU-Rechtsprechung. „Too big to fail“ – Klar, wenn der kleine Mann kaum noch über die Runden kommt, heißt es „Ja, das ist Marktwirtschaft“, wenn ein Großkonzern illegale Sachen treibt, wird es geduldet. Wie, bitteschön, glaubt denn eigentlich die Politik, daß das mittelfristig gutgehen kann? Würde jetzt – mal hypothetisch – die EU tatsächlich „den Stecker ziehen“, wären sicher jede Menge Whatsappnutzer stinksauer, weil es (wahrscheinlich) nicht mehr funktionieren würde. Facebook würde sicher noch Öl ins Feuer gießen, indem es sagt, daß sie EU ja böse ist (machen sie ja jetzt schon). In Wirklichkeit hatte der Konzern genügend Zeit, sich mit EU-Rechtsprechung zu befassen und entsprechende Strategien zu entwickeln. Aber ganz ehrlich: Ich glaube nicht, daß unsere Weichspülerpolitiker wirklich gegen Facebook angehen. Es wird so weiterlaufen. Und das enttäuscht mich. Denn so bleibt Europa eine Internetkolonie von den USA mit US-„Rechtsprechung“, US-Datenschutz. Aber vielleicht irre ich mich ja.
Aber mal ganz abgesehen davon, daß ich aufgrund von „Gruppendruck“ einem aus meiner Sicht Verbrecherkonzern anwanzen „soll“: Warum sollte ich von einem freien und voll verfügbaren System umsteigen auf diese, sorry, proprietäre Scheiße, die meine Würde in den Dreck zieht, indem sie mich schlichtweg gläsern macht? Weil es „heute alle so machen“ ? Was die Masse tut, muß nicht richtig sein. Die Masse war 1938 Nazis in Deutschland. Das ist kein Maßstab. PUNKT!
Die Masse beschäftigt sich nicht mit Datenschutz, damit, was Facebook mit deinen Daten anstellt. Das liegt daran, daß man es selbst nicht bemerkt. Es tut einem nicht direkt weh. Da ich mich damit allerdings beschäftigt habe, wird mir beim Benutzen von Whatsapp schlichtweg schlecht. Ich habe nämlich schon mal die AGB überflogen! Die Masse nicht.
Achso, ja, das aberwitzige „Argument“ von den meistne Whatsapp-Usern ist ja „ich bin ja nicht bei Facebook! Facebook geht ja wirklich nicht.“ Darüber kann ich nur noch möde Lächlen. Facebook hat Whatsapp gekauft, also where is the fucking difference? Da hört das Denken scheinbar auf. Furchtbar ignorant finde ich das. Und es ist (Selbst)Augenwischerei. Instagram gehört übrigens auch (zu) Facebook.
Ich gebe zu, Email hat diverse Haken. Aber es gibt da ja noch XMPP (Jabber), Matrix und andere Alternativen als Nachrichtendienst. Man braucht den Whatsappquatsch eigentlich garnicht. Es wird aber viel Geld in die Hand genommen, um genau das zu suggerieren (Werbung etc).
Ich bewege mich seit einem Jahr im Fediverse (Mastodon). Man findet dort einfach viele Menschen, die über Datenschutz nachdenken. Es tut gut, zu sehen, daß es da draußen noch mehr Menschen gibt, die über all das genauso (kritisch) nachdenken wie ich. Zugegeben – es ist oft nerdig. Aber: Man hilft sich. In diesen Kreisen habe ich noch keinen kennengelernt, der Whatsapp benutzt. Es klagen allerdings einige über einen gewissen Gruppendruck.
Darüberhinaus war und bin ich froh, daß sich auf dem Elternabend der Klasse meiner Tochter 3-4 Leute explizit gegen eine Whatsappgruppe ausgesprochen haben, da sie kein Whatsapp benutzen (wollen). Wir haben jetzt eine Mailman-Mailingliste.
Zusammenfassend kann ich sagen, daß ich kein Whatsapp benutze, weil ich keine Datenkuh bin, die man beliebig melken kann, weil ich nicht als Nutzervieh behandeln lasse, weil ich die AGB überflogen habe und davon Brechreiz bekam. Ich habe mich lediglich mit dem befaßt, was das kostet. Und das ist mir viel viel viel zu viel.