Tannenhöhe Villingen – Eine Ära geht zuende

Wir waren bis 2012 in Sachen Urlaub immer mit Camping unterwegs. Das ging jedoch 2012 gründlich schief, da wir unsere kleinen Kinder da nicht so zu Schlaf bringen konnten. Nach 2 Wochen Urlaub waren wir geräderter als vorher.

Da kam der Tipp einer damaligen Kollegin meiner Frau, doch Urlaub auf der Tannenhöhe zu machen. Ein christliches Gästehaus in Villingen auf 750m Höhe im Schwarzwald, betrieben von den Aidlinger Schwestern.

Quelle: https://www.gaestehaus-villingen.de/

Ich weiß noch, daß wir ankamen und ich mich in einer völlig anderen Welt wiederfand. Es fühlte sich so an. An die Tracht der Schwestern mußte ich mich auch erstmal gewöhnen, fand aber schnell heraus, das sie einiges unter der Haube hatten. Treu und meistens fröhlich arbeiteten sie oft hart – für uns. Zudem kamen eben auch kinderreiche Familien, da waren wir mit nur 2, später 3 Kindern vergleichsweise klein.

Durch die vielen anderen Familien, mit Kindern, kannten sich die Kinder bald und kümmerten sich so untereinander, spielten. Ja, es gab strikte Regeln, die befolgt werden mußten, nicht zuletzt funktionierte das auch deswegen ziemlich gut. Als Eltern kleiner Kinder waren wir bald mit dem Ankommen sofort „entlastet“, da unsere Kinder sich sofort mit den anderen zusammengetan hatten. Und dann das Essen! Lecker und viel! 🙂
Fast jeden Abend trafen sich dann, nachdem die Kinder im Bett waren, die Erwachsenen noch im „roten Saal“ oder im „Wintergarten“. Da für mich Rotwein irgendwie zum Urlaub dazugehört, ich mir aber nicht sicher war, ob Alkohol da erlaubt ist, und ich zudem den Korkenzieher vergessen hatte, fragte ich eine Schwester nach einem Korkenzieher – und bekam ihn. Damit war für mich diese Frage auch erledigt.
Dennoch mußten bzw. sollten wir dann aufgrund von möglichen trockenen Alkoholikern aufhören, mit Weinflaschen durchs Haus zu laufen. Die Lösung: „Thé rouge“ und „Thé blanc“ in Tee-Metallkännchen. Klappte!

(Wenn jedoch klar war, daß keiner mit [oder ohne] Alkohol ein Problem hat, durften die Flaschen auch offen rumstehen, wie zuletzt an unserem Abschiedswochenende)

Es gab einen strikten Tagesablauf: Frühstück 8:45Uhr (Samstag, Abreisetag: 8:30Uhr), Mittagessen: 12Uhr, Abendessen: 18Uhr, oft mit Kaffee + Hefezopf um 14:30Uhr. Anschließend an jeder Mahlzeit hatten die Kinder in unterschiedlichen Altersgruppen geistliches Programm, die Erwachsenen nach dem Frühstück und dem Abendessen eine Andacht, mittags durften wir schlafen, während sich die Kinder auspowern durften. Kinderbetreuung übernahmen dabei weitere Mitarbeiter, oft Jugendliche.

Durch einen Ausflug jede Woche lernten wir dann auch vieles in der Gegend kennen, ich war u.a. so zum ersten Mal am Bodensee, aber auch auf diversen Burgen, Schlössern, am Rheinfall, etc. pp. Oft mit mitgebrachtem Mittagessen, das dann auch mal vor Ort gegrillt wurde. Eine weitere Tradition war das Fest, meistens im Garten, mit Spielen für die Familie, die ausgedacht wurden.

12 Jahre lang war die Tannenhöhe für mich der Inbegriff von „Urlaub“. Unsere Kinder wurden dort groß und wir durften auch bei anderen Familien das Wachsen der Kinder mitbeobachten. Und immer mittendrin die Schwestern, die halfen, sich auch um Menschen mit Problemen kümmerten. 2019 erkrankte meine Frau an einem zum Glück gutartigen Tumor im Kopf. Da wurde viel für uns gebetet. Ich glaube auch, daß vor jeder Familienfreizeit viel gebetet wurde, vorallem wenn das eine oder andere „Kracherkind“ kommt. Eines der Kinder traf zB am letzten Tag, an einem Freitag Mittag, meinen Sohn mit einem Stockbrot-Stock am Auge – oder knapp dran vorbei. „Schwein gehabt“, sagte der Arzt – „Gott gehabt“, dachte ich.

Eine Google-Rezension beschreibt die Tannenhöhe als einen „Ort wie aus der Zeit gefallen“. Für mich war es eher eine Oase für christliche Familien, vorallem mit kleinen Kindern.
Wir waren dabei oft sehr unterschiedlich und doch eins in Jesus. Ich, der exkatholische Jesus Freak in einer liberalen Baptistengemeinde neben einem Familienvater mit 7 Kindern, der als Übersiedler nach Deutschland kam und in einer strengen „Russengemeinde“ ist. Da wird eben auch Toleranz gelebt und nicht nur eingefordert, so, wie ich es in einer Fediverse-Bubble erlebt habe. Das kann man wahrscheinlich nur geistlich erklären und ist gelebte Einheit in Jesus Christus.

Nun schließt das Haus, nach Jahrzehnten. Die Schwestern altern eben auch und „es reicht die Kraft nicht mehr“. Wir hatten letztes Wochenende einen Abschied. Viele Familien, die ihre Kinder hier ebenfalls großbekommen haben. Es gab einen bunten Abschiedsabend, an dem ich erfuhr, daß ich die Tannenhöhe mehr beeinflußt hatte als mir klar war *zwinker* ;-).

Nun schließt die Tannenhöhe ihre Türen und es war am Ende sehr traurig. Tränen flossen und ja, es war seltsam, zu wissen, daß man diese Räume so wahrscheinlich nie wieder sehen wird. Das Haus wird nächstes Jahr umgebaut, langfristig sollen Appartements entstehen, in denen (vorallem) ältere Menschen zusammenleben.

Was mir bleibt ist tiefe Dankbarkeit. Dankbar für diese Zeit, die Menschen und nicht zuletzt die Schwestern, die sich aufopfernd und liebevoll kümmerten. Vielleicht schaffe ich es ja doch mal, vorbeizuradeln. Bei all den Radtouren, die ich dort gemacht habe, hingeradelt bin ich noch nie. Es bleiben viele gute Erinnerungen, Geschichten, die man sich über Jahre bis heute erzählt. Eine davon wurde nochmals unter Lachen am Samstag erzählt:

Was mit noch bleibt sind gute Gespräche, vor allem mit Schwester Magdalene, die mich liebevoll zu Perspektivwechsel in diversen Punkten führen konnten. Unvergessen das herzliche Lachen von Schwester Karin, das man gefühlt quer durch das Haus hören konnte. Schwester Doris, die gerne scherzte und last but not least Schwester Sandra, die sich eindrücklich um ich sage mal „Problemfälle“ kümmerte. Das ist meine persönliche Wahrnehmung, vieles habe ich sicher auch nicht gesehen.

Ich wünsche allen Schwestern, allen (weiteren) Angestellten dort alles Gute und Gottes FETTEN Segen!

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