Ich werde ja als angeblich technisch versierter hin und wieder gefragt, welches Handy man sich kaufen soll. Ich zucke da mittlerweile nur noch mit den Schultern und verweise darauf, daß mein Motorola Moto G2 LTE „Thea“ schon uralt ist, aber mit SailfishOS läuft. Ich erkläre dann immerwieder, warum ich SailfishOS für recht gut halte und auch, daß es Geräte gibt, die außer dem Open Source SailfishOS noch eine propritäre Androidenblase mitbringt, sofern man sowas unbedingt will.
Man schaut mich dann an wie ein nerdiger Außerirdischer und ich werde gefragt, warum ich das so mache. Nun könnte ich einfach sagen: „Weil ich es für unwürdig halte, wenn mein Gerät von diversen Konzernen ferngesteuert wird“, aber das wird dann immer heruntergespielt. Es würden ja alle tun und man glaubt mir dann maximal zur Hälfte. Dann sage ich, daß ein Handy Kameras und Mikrofon(e) hat, die eben auch ferngesteuert werden (können). Wenn dann ein „ich hab ja nix zu verbergen“ kommt, frage ich dann schon harsch nach, ob sie auf der Toilette die Türe hinter sich zumachen, was dann natürlich bejaht wird. Aber man könne es ja nicht so miteinander vergleichen. Und ich sage: „DOCH! Man kann und man muß sogar!“
Ich glaube, ab dem Zeitpunkt werde ich dann für komplett bescheuert gehalten. Im besten Fall kommt ein „Ja, du hast schon recht, aber…“ und hinterher kommt dann raus, daß man solche Geräte und Apps rein aus Bequemlichkeit und Ästhetik des Handys benutzt. Mit einem Motorola könnte man sich ja nicht identifzieren. Das ist dann der Zeitpunkt, bei dem ich aussteige. Komplett. Leute geben lieber ein Heidengeld für ein Gerät aus, das in deren Augen hübsch ist, Schnüffelsoftware (zB Google Apps) onboard hat, statt für 1/10 des Geldes sich ein Gerät gebraucht zu kaufen, das sicher „weniger kann“, aber dies eben auch im Sinne der Konzerne und nicht nur des Nutzers. Und wenn man sich schon über die Jahre an Android gewöhnt hat, so what, dann kann man sich auch ein Gerät kaufen, das von LineageOS unterstützt wird. LineageOS ist ein Android OHNE Google Apps. Erstmal. Unser fast 6 Jahre altes Tablet bekommt so bis heute aktuelle Sicherheitspatches.
Genau. Sicherheitspatches. Das ist das nächste. Viele Androiden werden schon billigst mit veralteter und anfälliger Firmware von der Resterampe verkauft. Der Nutzer wird so nicht nur gläsern für Google & Co, sondern läuft in Große Gefahr, daß Kriminelle das Ding zunächst unbemerkt kapern. Ich kenne nur sehr wenige, die sich über Sicherheit eine Platte machen. Den meisten ist es – ganz genau – scheißegal. Man weiß es irgendwie, aber man ignoriert es, weil es ja so schön bequem ist. Das ist die nächste Synapse, die bei mir nicht zusammengeht. Ich finde dieses Denken schlicht und ergreifend fahrlässig und bescheuert. Ja, deren Ausmaße kenne ich heute nicht, dennoch kommt es mir vor wie die Wehrmacht vor Stalingrad, die über Wochen beobachtete, die Geschütze von der Roten Armee angekarrt wurde und dann „weg“ waren. Die Obersten der Wehrmacht zuckten mit den Schultern und ignorierten das, bis zum Tag, als eben diese Geschütze losfeuerten.
„Und was ist mit Apple?“ – In meinen Augen ist Apple ein Konzern, der gerne selbstherrlich über seine Jünger verfügt und softwaretechnisch fühlt es sich an wie „Zuckerbrot und Peitsche“: Ich benutze als Messenger nunmal Jabber und ich habe bisher keinen Client unter iOS gefunden, auf dem das (auch im Hintergrund!) läuft. Apple verbietet zB Chatsecure, im Huntergrund zu laufen, Telegram wurde aus dem AppStore geworfen und das mit einer Begründung, die man auch auf Whatsapp und Email anwenden könnte. Nein, Apple geht garnicht, schon aus dieser selbstherrlichen und kundenunfreundlichen Arroganz heraus.
Nun werde ich gefragt, was denn an den persönlichen Daten, die unbemerkt erhoben werden, so schlimm ist. Ich stelle mir vor, daß es zB bei Google eine große Festplatte gibt, auf der viele Verzeichnisse sind. Eines davon ist von dir angelegt. Und dort wird alles reinkopiert, was du machst: Bewegungsprofile, Bilder, Mikrofonmitschnitte, Filme, Musik, die du hörst, was weiß ich. Alles eben. Wenn du das Handy aufs Klo nimmst, eben auch Bilder von dort (was aus meiner Sicht entwürdigend ist, aber die meisten haben ja, wie gesagt, nichts zu verbergen). Du bist jung und dir ist das alles egal. Man weiß an Hand von Bewegungsprofilen, daß du einmal die Woche zu einer bestimmten Adresse gehst. Du gehst zu einem Freund. Nebendran jedoch ist, sagen wir mal ein Psychologe. Das wird alles gespeichert. Du wirst älter, die Ausbildung ist fertig und du wunderst dich, daß dich – trotz guter Noten – niemand haben will. Grund: Die Personalabteilungen fragen mal bei Google nach, wer du bist und finden heraus, daß du mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig zum Psychologen gehst, was nicht mal stimmt, aber es wird eben so ausgewertet. Ich nehme an, daß Google, Facebook (Whatsapp), oder wer auch immer noch Daten „erhebt“, da eigene Dienste hat, die solche Auswertungen erstellen (können). Datenschutz? Vergiss es! Der gilt nur auf dem Papier. Und der Wähler will es offenbar auch nicht anders, bzw. es ist, genau, scheiß egal!
Ich spinne? Ich übertreibe? Ja, das sagte man mir auch, als ich vor gut 15 Jahren über den NSA-Key in Windows-Systemen erzählte. Seit Snowden ist klar: Es ist noch viel viel schlimmer.
Aber zurück zu LineageOS: Ich wurde vor 1 Jahr von 2 Frauen gefragt, ob ich ein Handy für sie hätte und sie haben seitdem ein Motorola Moto G1 mit LineageOS ohne Google Apps. Die sind zufrieden, ich denke auch, weil es ohne Blinkiapps auch übersichtlicher ist. Was wollen sie denn damit machen? Emails, Whatsapp (wers braucht..), SMS, Andressbuch, Musik hören, vielleicht noch einen Kalender, fertig. Da braucht man kein Google zu. Es funktioniert. Mit aktuellen Sicherheitspatches, die übrigens recht einfach installiert werden. Grotesk dabei ist, daß bei jedem Booten eine Warnung kommt, daß man dem Gerät bloß nicht vertrauen soll, da der Bootloader geöffnet und eine andere Software installiert wurde. Der Preis pro Gerät: 40-60€. Vor einem Jahr. Bei einem Gerät mußte ich nach 1/2 Jahr für ~20€ den Akku tauschen. Genau, das geht da nämlich noch recht einfach.