Es ist anundfürsich erstmal garnicht die Tatsache, daß und in welchem Umfang wir abgehört werden. Es ist die Tatsache, daß nahezu alle so tun als hätten sie vorher von nichts gewußt, obwohl darüber im Vorfeld hie und da mit aus meiner Siche eindeutigen Hinweisen berichtet wurde. Aber freilich nicht beim Springer-Verlag. Es gab schon 1989 einen Spiegel-Artikel „Freund hört mit“. Mir fällt dann ein, daß sich 1995 auf recht eigenartige und mir nicht nachvollziehbarer Weise Windows 95 gegen das stabilere und schnellere OS/2 „durchsetzte“. Aus heutiger Sicht mutmaße ich, daß es politisch gewollt war, damit sich ein System verbreitet, das man kontrollieren kann. Als 1999 der „NSAKey“ entdeckt wurde, kam das kaum zu Beachtung. Mich wunderte das damals, schließlich werden von Behörden emsig und unter Datenschutzbedingungen meine Daten gesammelt. Nur die Russen waren auf ihre Weise konsequent (ja, sicher nicht auf allen Ebenen) und führten statt Computer wieder Schreibmaschinen ein, um nicht von der NSA ausgespäht zu werden. Im Grunde ist das auch richtig: Man muß eben die Technik ausschalten, die man selbst nicht beherrscht bzw. beherrschen kann. Zugrunde liegt für mich dabei der transparente Zugriff auf den Quellcode. Ich bin zwar selbst kein Informatiker und könnte schon garnicht nachvollziehen, was an welcher Stelle ein Betriebssystem bzw. ein Programm so alles treibt, aber es beruhigt mich doch enorm, zu wissen, daß mein Betriebssystem von anderen Menschen (die vom Programmieren was verstehen) offen durchgeschaut werden kann. Dazu müßte man natürlich, wenn man da konsequent bleiben will, nur noch quelloffene Software und Linuxtreiber ohne sog. Firmware benutzen (wobei ich mir bei der Firmware gerade nicht so sicher bin). Das hieße für mich im Klartext, daß ich kein Flash(player), kein Java und kein Acrobat Reader mehr benutzen dürfte. Für Flash und Java gibt es Open Source-„Ersatz“, der allerdings nicht so gut funktioniert.
Für Benutzer von Propitären (nicht-quelloffenen) Betriebssystemen liegt (aus meiner Sicht) der Fehler schon buchstäblich im System: Man weiß einfach nicht, was das Betriebssystem so alles treibt, scannt und zu sonstwem „funkt“, obendrauf kommen dann noch diverse propitäre Programme, die wiederum eine potentielle Quelle von Horch-und-Guck-Gimmicks bergen können.
Kurz gesagt: Wollen wir in Deutschlacht wirklich Datenschutz haben, müssen wir so konsequent sein und sämtliche Verwaltungsbürokratie auf Quelloffene Software umstellen, sonst haben wir keinen Datenschutz, da kann mir Microsoft, Apple, Google und sonstwer garantieren, was er will.
Was mich wirklich nervt ist, daß die Öffentlichkeit genau davor kneift und unsere Bundeskanzlerin eiskalt die Hucke vollügt, indem sie erzählt, daß Deutschland souverän ist und dessen Grundrechte bei uns gelten.
Wäre das der Fall, müßte die NSA (oder die USA) angeklagt werden, weil sie auf dt. Boden gegen das dt. Grundgesetz verstoßen hat. So einfach ist das für mich. Und weil das nicht geschieht, ist Deutschland nicht souverän und die Grundgesetze sind ausgehöhlt bis nicht existent. Das ist meine Feststellung. Und im Grunde ist das auch nix neues, wie bei einem Interview für mich herauskam.
Wir haben dennoch Marktwirtschaft, der Kunde kann entscheiden, was er kauft oder nicht kauft. Und er kann auch darüber entscheiden, ob er sich dem Apfel unterwirft, sich von Microsoft verarschen oder seine Seele an Google verkaufen will. Nur diese 3 Möglichkeiten scheint er zu sehen. Ich dagegen lebe da einigermaßen in Freiheit – Auch wenn mir klar ist, daß ich vor Spähern nicht ganz gefeit bin, aber es ist bei mir mit (viel) mehr Arbeitsaufwand verbunden ;-).
Und was sagt der Kunde? Wie schon damals 1995 „Es war halt schon drauf, da kann ich ja nix dafür“ und erfreut sich an den bunten Bildchen und Gimmicks, die ihn so schön ablenken.
Ich versteh garnicht, warum sich alle so aufregen. Klar ist es nicht schicklich, andere Menschen ( andere Nationen!!) auszuspähen, aber wer nichts zu verbergen hat, den sollte es nicht stören. Ich denke, jedem, der unsere heutigen Medien und Informationstechniken nutzt, ist klar, dass die Gefahr und Möglichkeit besteht, wie “ big brother“ bespäht zu werden. Ob es ein Verrat an unserem Land von Seiten der USA ist, sollten die da oben unter sich ausmachen. In einer Zeit, in der unsere Welt ein global village ist, ist es nicht verwunderlich, das unsere Nachbarn hören, was hinter dünnen Wänden passiert.
Uli, meinst du das Ernst, dass bei uns die Grundgesetze nicht existent sind?
Katinka: Ja, sicher meine ich das Ernst, es ist doch Fakt, daß es nicht existent ist, wenn sich zB die NSA darüber hinwegsetzt und das einfach so tun kann. In dem Moment, wo ein Gesetz – von egal wem – gebrochen wird, und es wird gebilligt, ist es nicht existent, egal, wieviel Schaum darüber geschlagen wird. Und die Sache mit „wer nichts zu verbergen hat….“ regt mich auf. Jeder hat irgendetwas zu verbergen, das nennt man „Privatsphäre“ und ich finde, das gehört zu unseren Grundrechten, die gerade ad absurdum geführt werden.
OS/2 war und ist (eComStation) ebenso leicht zu manipulieren und zu kontrollieren wie Windows. Ist ja auch genug MS-Software inkludiert…
OS/2’s Scheitern hat andere Gründe. Blame it on Big Blue…
„kann auch darüber entscheiden, ob er sich dem Apfel unterwirft, sich von Microsoft verarschen oder seine Seele an Google verkaufen will.“ …*seufz* ich habe mich vor 4 Jahren für google-entschieden. Ich glaube die wissen einfach alles über mich. Alles andere wäre mir persönlich zu aufwendig gewesen.
Aber ich sehe es auch so, es kann gar nicht sein, dass es keiner gewußt hat! Aber immerhin wird jetzt einmal drüber gesprochen….und dann bald weitergemacht wie immer. Mich stört es auch, dass in Schulen dieser ganze MS-Office Kram gelehrt wird. Denn dafür gäbe es kostenlose OpenSource Alternativen die gleich gut oder sogar besser sind. Ich freu mich überhaupt schon wahnsinnig darauf PowerPoint-Presentationen für die Hausaufgaben der Kinder unterstützen zu dürfen *ätz*.
Jenny: Man sollte mal prüfen, was billiger ist: Das Kind auf ne (Privat)Schule zu schicken, die mit Open Source arbeitet, oder ihm alle 2 Jahre nen neuen PC hinzustellen mit der neuesten Windumm- und Office-Version. :>
Ich werde mich mit ner ganzen Schule anlegen, wenn es sein muß, bevor ich meinem Kind Windows auf den Schreibtisch stelle.
Wir arbeiten bei uns in der Firma seit einiger Zeit mit einer israelischen Firma zusammen,
deren deutscher Vertriebspartner früher mal beim BND war und immer mal
wieder gern aus dem Nähkästchen plaudert. Er sagte erst vor kurzem, dass er
die ganze Aufregung gar nicht verstehen kann, das was heute über PRISM u. Co
ans Licht kommt, ist für den BND seit dreißig Jahren normales Tagesgeschäft.
Und selbstverständlich arbeiten alle westlichen Geheimdienste dabei Hand in Hand.
@uli: ein gesetz is immer existent, solange man es brechen dagegen verstoßen kann. Mit etwas zu verbergen habe ich nicht unsere Privatsphäre gemeint, sondern Dinge, die für die NSA wichtig wären. Ich glaub kaum, dass sich da Leute von denen hinsetzn und für sie scheinbar unwichtige private Dateien (fotos,dokumente) von den Deutschen mit Genuss durchschauen. Ich denke, das interessiert die auch nich was Hr. XY im Urlaub für Fotos geschossen hat. Gut, wenn sich wirklich jemand von denen die Zeit nimmt und über jeden Deutschen ein eigene “ Sie sind jetzt bei uns ein offenes Buch“ – Datei anlegt und in die Privatsphäre eindringt, dann wäre das klar verletzend und unmöglich. Aber ich denke nicht, dass die so weit gehen, wäre doch Zeitverschwendung. Es gibt in unserer Welt viel größere Probleme als das.
Deine Kinder sind doch nicht gezwungen Windows etc. zuhause zu nutzen? In der Schule ok, weil die die Rechner warscheinlich mit nichts anderem austatten wollen. Dir liegt es eigtl frei, mit was sie ihre Hausaufgaben und Referate machen. Die Schule ist da halt echt ein Graubereich (die meisten whiteboards laufen auch nur mit windows o.O) aber sobald deine Kids studierenarbeiten, können sie doch selbst wählen mit was sie umgehen wollen ( und das muss nicht microsoft oder apple sein) 🙂
Katinka: Die Frage ist doch, wann ein Mensch für einen Staat gefährlich wird. In einer Demokratie kann man mit diesen Hilfsmitteln Opposition einschüchtern oder gar ganz verhindern. Dann interessieren eben doch Urlaubsbilder, Telefonate, mit denen XY erpreßbar gemacht werden. Und welches Problem ist kleiner als das des Machterhalts? Im Fall Gustl Mollath wird mir klar, wir krass unser sog. „Rechtsstaat“ unterwegs ist. Es ist ein Alptraum.
Ganz gut kommt in dem Video (http://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI&feature=share&list=UUPFpU588dagQfGyrDuTpSzA) heraus, was Überwachung mit uns so anstellt.
Ein Gesetz stellt immer beim Gesetzesbruch Konsequenzen für den, der es bricht, bereit. Gibt es keine Konsequenzen, kannst du das Gesetz getrost vergessen – es ist dann defakto nicht existent.
Ich bin mal gespannt, wie das in ein paar Jahren mit Schulsoftware aussieht. Ich bekomme hie und da aber schon mit, daß Lehrer zB alles als Wört.doc bekommen haben möchten. Und falls meinem Kind so ein Lehrer unterkommt, werde ich schlichtweg ungemütlich, denn WÖRTDOKUMENTE SIND KEIN STANDARD !! so! 😀
Jenny: Ja, mich nervt es gewaltig, daß nur mal gemotzt wird, aber letztendlich keine Konsequenzen kommen, denn die wären ja unbequem. Es ist so ähnlich wie beim Billig-Essen: Man gruselt sich und geht zur Tagesordnung über, ohne darüber nachzudenken, daß Qualität eben seinen Preis hat.
Katinka:
folgendes Szenario: ich lerne auf einem online-Portal Russisch und Englisch. Ich habe häufigen online-Kontakt zu Personen in der USA und Israel, ich bin Physikingenieur in der forschenden Industrie Deutschlands…..bisher alles Tatsachen….wenn ich jetzt als weitere Sprache arabisch wähle (weil, es klingt schön und ist auf Rang 7 der Weltsprachen) und dadurch weitere online Kontakte in die arabische Welt oder Russland knüpfe….wollen wir wetten, dass ich spätestens dann interessant werde, wenn ich das nächste Mal ein Visum in die USA beantrage? Ok, vielleicht muss ich noch einen Hinweis bei Facebook geben – aber sicher bin ich mir da nicht.
Und ich quatsche mit meinen online-Freunden/Bekannten nciht gerade nur übers Wetter!
Ja, ich fühle mich durchaus auch etwas bedroht/bespitzelt und in meiner Freiheit beschränkt.
Uli: das Argument der Schule wird dann ungefähr so ausfallen: Wir haben niemanden der unsere SchulComputer wartet/aktualisiert, Schulungen abhält etcpp…..außer für Windoof- und seine Office-Kinder.
Du hast dann die Wahl der Schule deine Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung zu stellen und dich selbst darum zu kümmern, dass alle Maschinen laufen und alle Lehrer geschult sind etc.pp…oder du hältst die Klappe und unterstützt einfach nur deine Kinder 😉 und bringst ihnen zusätzlich was ordentliches bei.
Ich werde einmal höflich freundlichst anfragen, ob LibreOffice o.ä. eine mögliche Alternative wäre, ansonsten werde ich still sein und zu Hause fluchen.
@katinka: „Ich glaub kaum, dass sich da Leute von denen hinsetzn und für sie scheinbar unwichtige private Dateien….“
Katinka, da muss sich keiner persönlich hinsetzen. Es gibt Text- und Bilderkennungsprogramme die durchlaufen einfach automatisch alle Texte, Links und Bilder (email, chat, blogs….) und suchen nach Schlagworten. Sobald eine gewisse Zahl oder Kombination erkennbar wird, fällt der betreffende user in die nächste Kategorie an Gefährlichkeit und wird dann genauer beobachtet.
(auch automatische Gesichtserkennung auf Fotos ist möglich.)
Dein bislang bester Artikel. Besonders gut gefallen hat mir dieser Satz: „Man muß eben die Technik ausschalten, die man selbst nicht beherrscht bzw. beherrschen kann“. Ein denkbar unpopuläres, aber sehr wahres Statement. Von solcher Klarheit und Konsequenz, dass man sich verwundert die Augen reiben muss, wenn man bedenkt, wie du in religiöser Hinscht drauf bist. 😉
Schwierig, das übereins zu bekommen…
Mann, mach mich nicht fertig. 🙂
Ich verstehe dabei den Zwiespalt nicht 😉 – Aber ich sags mal so: Ohne Jesus würde ich bei der politischen Sachlage durchdrehn. So weiß ich, daß ich quasi einen „Paß im Himmel“ habe, wo mir gewisse Rechte (für die Ewigkeit) zugesichert sind. Als Christ werde ich hierzulande (noch) nich bzw. kaum verfolgt (wenn man überhaupt davon sprechen kann), aber wer garantiert mir, daß sich das nicht ändern wird? Die Gesellschaft tendiert immer mehr dazu, unpopuläre Meinungen (zu welchem Thema auch immer) zu eliminieren, statt sie zu ertragen und das halte ich, im Grundsatz, für eine eklatante Fehlentwicklung.
Auf ZDF-info, Phoenix & Co werden wir ständig mit den Greueltaten der Nazis berieselt, als müßten wir ständig dafür dankbar sein, wie gut es uns heute geht, dabei merken wir nicht, daß wir vom Prinzip her erhebliche demokratische Rückschritte machen. Wir sollen das wohl auch nicht merken, so scheint mir. Ich habe das Gefühl, daß wir 80 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers vergessen haben, was damals passiert ist, denn wir als Gesellschaft nicken schlichtweg diese gegenwärtigen Fehlentwicklungen ab. Es läuft ja im Grunde alles super, der Himmel ist blau, das Gras ist grün und das Konto voll. Jedenfalls bei den meisten. Entsprechend wird auch (nicht) gewählt.
Highlund: Ich verstehe die Technik/das Programmieren von Linux auch nicht, aber ich vertraue da auf ein Heer unabhängiger Informatiker, die dieses System pflegen, ohne dabei von diversen Organisationen bezahlt zu werden. Je mehr unabhängige Leute ihre Finger da im Spiel haben und nachvollziehen können, warum was passiert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich dort etwas spitzeliges einschleicht. Soviel verstehe ich dann, glaube ich, schon von der Materie :).
@Jenny
Schade das microsoft office nichts ordenliches ist, sonst könnte ich dir recht geben. Ich benutze lieber open office.
@katinka
Wie krass, das du nichts zu verbergen hast, ich kenne wenige Leute die nackt spazieren gehen. Ich kenne Leute, die private Fotos auf ihren Rechnern haben, die nicht jeder sehen soll. Falls du doch auch Dateien hast, die privat sind, dann empfehle ich truecrypt.
HoS: Ich würde ohne „Jesus“ vermutlich auch durchdrehen, bei mir kann man den Namen „Jesus“ aber auch durch „Mozart“ oder „Einstein“ ersetzen. Will sagen, ich glaube keine Sekunde lang, dass es eine höhere Macht gibt, die Gebete erhört, in unser Leben eingreift oder auf irgendeine Art für uns da ist, erst recht nicht nach dem Tod; denn dass sich ein an Materie gebundenes Bewusstsein als „Geist“ davonmachen könnte, mag allenfalls denkmöglich sein, ist aber keinesfalls vorstellbar und nach allem, was wir wissen, auch völlig unmöglich. (Zudem münden alle Versuche, es sich vorzustellen, in kaum wünschenswerte Szenarien. Um es mit Christoph Schlingensief zu sagen: „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein“). Ich meine aber, dass es angesichts der nackten Brutalität, die uns umgibt und gegen die kein Kraut gewachsen zu sein scheint, Oasen der Wahrheit, Aufrichtigkeit und Unkompromittierbarkeit geben muss, an denen man sich festhalten kann. Die Art und Weise, wie Jesus Menschlichkeit predigte und praktizierte, ist so eine Oase. Desgleichen aber auch bei Mozart und bei Einstein. Das sind greifbare, real existierende Belege dafür, dass es Menschlichkeit gibt, und sie sind mit allen Waffen dieser Welt nicht kleinzukriegen.
Dafür muss man sich aber eben nicht in die kleinkarierten Niederungen der Religion herabbegeben. Goethe: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion. Wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion“. Denk mal drüber nach! 🙂
@ highlund,
Bin verwirrt… Was Jesus zu einem Überwachungsstaat gesagt hat weiß ich, Worte von Einstein kenn ich auch… aber Mozart? Was hat er denn dazu gesagt? klär mich auf.
Ich finde, wie HoS, zum nicht durchdrehen passt das was Jesus gesagt hat sehr gut. Das Szenario: dass ein Feind sogar kontrolliert was du einkaufen kannst, systematische Unterdrückung der Anders-denkenden und wie ein Mensch dann trotzdem nicht durchdreht… Bibel ist da schon ganz clever in den Lösungsansätzen.
Imho: Wissenschaft und Kunst sind dann zwar gute Werkzeuge aber zum Überleben braucht man dann etwas mehr, also mal mindestens eine Strategie, einen Fluchtplan, oder man gibt nach.
@Fiebke: Die grundsätzliche Frage lautet: Wie kommt man zurecht in einer Welt, in der Gewalt, Brutalität, Eigennutz, Gruppenegoismus, Niedertracht, Lüge, Verführung und unsägliche Dummheit usw. an der Tagesordnung sind und wirtschaftliche Prozesse und politisches Handeln bestimmen? Es gibt Leute, die damit gut leben können, einige US-Manager zum Beispiel, die Studenten unter tosendem Applaus erklären, es sei in Ordnung, gierig zu sein. Diejenigen aber, denen das alles unerträglich ist, müssen Vorkehrungen treffen, damit sie an der Welt, wie sie unschönerweise nun mal ist, nicht zerbrechen. Da braucht’s den berühmten „Fels in der Brandung“, und das sind immer Zeugnisse der Menschlichkeit. Ob die von Jesus, Einstein oder Mozart kommen (dessen Musik unglaublich feinfühlig und „zärtlich“ ist, den Menschen jedenfalls stets „von unten“ sieht), ist wurscht. Jedenfalls ist es wichtig zu spüren, dass man nicht allein ist und dass Visionen von Mitmenschlichkeit, Friedfertigkeit und gegenseitiger Akzeptanz nicht nur persönliche Phantasiegebilde sind.
Damit widerspreche ich HoS, der meint, dass nur die (vermeintliche) Gewissheit auf einen fest gebuchten, persönlichen und von Gott zugesicherten Platz im Himmel ein wirklicher Trost und die Kraft sei, die einen mit dieser Welt zurechtkommen lässt. Das ist gewissermaßen auch egoistisch, mit Verlaub zu sagen. Wobei ich HoS für im Grunde überhaupt nicht egoistisch halte, nur eben für besessen von einer falschen Idee.
Highlund: Für mich sind oft eher unscheinbare Menschen „Felsen in der Brandung“, die von dieser Welt kaum gewürdigt werden, denn das, was sie tun, ist eher unspektakulär. Es ist zB eine alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder durchbringt, was mehr ist, als viele denken.
Ich könnte da ein paar besonders schöne Beispiele hervorheben. Alle gehen mit Jesus. Mir wurde oft von anderen gesagt, ich wäre so eine Person – ich gehe mit Jesus. Ich weiß, ich selbst kann das nicht aus eigener Kraft sein, weil ich selbst schlichtweg zu schwach dazu bin. Ich mußte mir oft anhören, daß ich mir da in die eigene Tasche lüge, wenn ich das behaupte. Doch ich komme immerwieder zu dem Schluß, wenn ich merke, wie schwach ich werde, wenn ich Jesus aus den Augen verliere.
HoS: Mit dem Beispiel der alleinerziehenden Mutter bringst du bei mir eine Saite zum Klingen. Ich kann jedenfalls gut nachvollziehen, was du meinst. Ich glaube, dass eine Frau, die für ihre Kinder sorgt, viel größere Werke vollbringt als manch hochrangiger Politiker oder gar Wirtschaftsheini, der irgendwo das große Rad dreht und dessen Entscheidungen Auswirkungen auf uns alle haben können. „Groß“ ist für mich nicht der, der viel bewirkt und möglicherweise den Lauf der Geschichte mitbestimmt (oftmals ja auch auf üble Weise und mit unschönen Ergebnissen), sondern der, der Gutes tut, auch im kleinen, überschaubaren Umfeld. Die alleinerziehende Mutter, ganz sicher.
Nur: Das hat mit Jesus nur insofern zu tun, als dass Jesus über die wahre „Größe“ wohl auch so dachte. Aber nicht nur er: Auch absolut nicht religiöse Denker, Philosophen, sozial Engagierte und viele unbekannte Mitmenschen, vorzugsweise solche mit deformierten Lebensläufen, denken so. Für mich, der ich nicht glauben kann, dass ein fürsorglicher Gott *diese* Welt *für uns* erschaffen haben soll, sind diese Menschen das, was für dich die Jesus-„Fahrkarte“ ist: etwas, woran man sich festhalten kann, aber eben nicht aufgrund einer „Himmelsgewissheit“, sondern weil man weiß, dass man nicht allein ist. Das kann man in die Hand nehmen, es ist was wert. Es ist kein Glaube, sondern Wissen. Keine Luftnummer.
Dinge, an denen man sich festhalten kann, sind wichtig im Leben. Für einen erwachsenen Menschen kann es aber nicht mehr der Teddybär sein, denn für ihn ist klar, dass es nur ein Stofftier ist, ein künstliches Ding. Niemals wird für irgendjemanden evident werden, dass der Teddy tatsächlich irgendeine Wirkung auf irgendetwas hat. Ähnlich verhält es sich nach meinem Dafürhalten auch mit Glaubenssystemen, die sich der kritischen Vernunft entziehen. Jesus wirkt nicht.
Wichtig ist zu *wissen*, dass es das kleine bisschen Wahrheit und Aufrichtigkeit gibt, die eigenen, unkompromittierbaren Gefühle, die Menschlichkeit. Da braucht es keinen Glauben mehr – und das ist gut so, denn Glaube wird immer seine Evidenz schuldig bleiben.