Vor 11 Jahren beendete ich mein Studium. Ich bin Ingenieur und mein Diplomszeugnis ist nicht schlecht. Dennoch suchte ich lange nach einem Job, schrieb ca. 40 Bewerbungen, hatte in etwa 15 Vorstellungsgespräche. Da wir damals nach Würzburg gezogen sind, erweiterte ich den Radius um WÜ herum stetig, doch ich war 6 Monate arbeitslos. Im Fernsehen kam in den Nachrichten, daß Deutschland Ingenieure braucht, und daß deswegen Greencardler ins Land müssen. Und sie kamen. Doch ich blieb arbeitslos, ich habe mich sogar bei Siemens beworben, ein Konzern, der damals mit am lautesten nach Greencardler schrie. Ohne Erfolg.
Bis heute habe ich das Gefühl, daß die Konzerne gar keine Ingenieure wollten, schon gar keine „neuen“, die noch keine Arbeitserfahrung mitbringen. Greencardler bekommen keine Rente, ein Betrieb, der einen Greencardler einstellt, muß also auch keinen Rentenbeitrag für ihn bezahlen, also ist der Greencardler billiger.
Ich lernte ca. 15 Betriebe kennen, erlebte wirklich allerhand seltsames. Einmal fuhr ich 80km (einfach) zu einem Betrieb, saß vor dem Personalleiter, der sich mein Zeugnis ansah und sagte „Oh, Sie haben ja gar kein Elektroingenieursstudium absolviert!“ Nach kurzer Zeit durfte ich wieder den Heimweg antreten. Von der Firma Pink bekam ich meine Unterlagen garnicht mehr zurück, der Personalleiter sagte, nachdem ich nach etwa 9 Monaten anrief, daß meine Unterlagen unter irgendeinem Stapel liegen würden, den er jetzt nicht durchsuchen möchte. Man fühlt sich da ziemlich schnell als Mensch zweiter Klasse behandelt. Ein anderer Betrieb bot mir einen Job an, in dem ich für mindestens 4 Monate pro Jahr im Ausland (vorzugsweise im Irak) sein würde, das Gehalt wäre jedoch lächerlich gewesen. Der Betrieb arbeitete als „Zulieferer“ für Siemens.
Wenn man so behandelt wird, ist es nicht verwunderlich, wenn man sich als ausgebildeter Ingenieur im Ausland umsieht. Nicht selten wird man dort besser bezahlt, anscheinend oft auch besser behandelt, ich weiß es nicht genau und kann es nicht wirklich beurteilen. In meinem Fall hatte ich dann Glück und ich landete beim Staat ;-D, 130km von Würzburg entfernt.
Jetzt sind diverse Firmen schon wieder auf der Suche nach Fachkräften. Anstatt daß man die Jugend im eigenen Land fördert, holt man sich einfach fertig ausgebildete aus dem Ausland. Und das Gejammer ist mal wieder groß. Sicher, es kostet eine Menge, selbst auszubilden, aber der Preis, nicht oder zu wenig selbst auszubilden, ist unterm Strich höher, denke ich. Ich kann das gejammer jedenfalls nicht mehr hören und ich habe Schwierigkeiten, den entsprechenden Verbänden zu glauben, was sie da sagen.
Jetzt könnte man natürlich dagegen argumentieren, daß die Jugendlichen, die derzeit arbeitslos sind, zu dumm sind, um Facharbeiter zu werden. Ich halte jedoch dagegen, daß es in Deutschland eine sehr enge Verknüpfung zwischen sozial schwachen und Arbeitslosigkeit gibt. Ich denke daher, daß es sehr wohl (viel) Potential bei zB sozial schwachen gibt, vorallem bei jungen Menschen. Man muß es nur ausschöpfen, dazu muß man investieren und das kostet – Geld. Investiert man es jedoch nicht, kostet es wahrscheinlich mehr Geld.
Nachtrag: In einem Heise-Artikel sagt das Deutsche Wirtschaftsinstitut, daß es keinen Fachkräftemangel gibt.
Das ist ganz sicher so, wie Du es vor allem zum Schluß hin beschreibst!
Vor allem auf politischer Ebene groß labern klingt ja so „toll“,
doch wenn’s dann mal ans Handeln geht, sieht die Sache dann eben doch etwas „anders“ aus!
Meist ist es doch so: Du brauchst für relativ gute Stellen einen „Protektor“ also via „Vitamin B“,
sonst geht doch da kaum noch was…!
Nur mal so ganz dezent gefragt: Schreibst du deine langjährige Tätigkeit als Jesusverkünder mit in den Lebenslauf?
Highlund: Das habe ich damals nicht, gemacht, wozu auch? Danach wurde ja nicht gefragt ;-). Aber in der GSI habe ich es nicht verleugnet. Es wurde gezielt nach einer „religiösen Vereinigung“ in der Kaffeerunde gefragt, als sie meinen Ehering entdeckten. Da habe ich schon in der 2. Woche geraderaus gesagt, daß ich Christ bin.
Gejuckt hat es niemanden, negativ aufgefaßt hat es auch niemand, nur vom damaligen Chef einer anderen Abteilung wurde mir gesagt, daß er es super fand, daß ich nicht um den heißen Brei geredet habe, sondern die Wahrheit geraderaus ;).
Heute gibt es so 2, 3 Leutchen, die mich versuchsweise verarschen wollen, was aber nich wirklich klappt. Einer versuch(t)e mich zB etwas lächerlich zu machen, in dem er sagte „Hey hey, Jesus lebt, haha!“, aber nachdem ich ihm tief in die Augen schaute und „ich weiß“ sagte, war sein Lachen schnell erstickt :).
> Es wurde gezielt nach einer “religiösen Vereinigung” in der Kaffeerunde gefragt,
> als sie meinen Ehering entdeckten. Da habe ich schon in der 2. Woche geraderaus
> gesagt, daß ich Christ bin.
Kann man ja auch machen, ist ja nichts Schlimmes dran. Selbst ich habe in meinem Personalbogen unter „Religionszugehörigkeit“ den Eintrag „rk“ stehen, so wie viele andere auch. Ist halt eine von vielen Angaben zur Person. Daher wundert es mich ein wenig, dass dich der Chef einer Abteilung extra dafür lobt, dass du es so geradeaus die Wahrheit gesagt hast. Könnte es sein, dass du mehr erzählt hast als nötig? Ich will ja echt nicht nerven oder so, aber hm… wenn das so rüberkam wie in diesem Blog, wo du dich freimütig über Gott und die Welt auslässt, Glaubensprobleme erörterst usw., dann wäre das etwas, das bei Personalchefs sicherlich nicht so gut ankommt. Die würden das als Labilität auffassen, als Entscheidungsschwäche, möglicherweise als psychisch instabil.
Highlund: Sobald etwas nicht amtskirchlich ist, wird es oft (nicht immer) in die Sektenecke gesteckt, daher ist es rein menschlich gesehen nicht förderlich, da geraderaus zu sagen, was Phase ist. Für mich war es damals klar, daß Gott mich in DA haben wollte, von daher hatte ich auch keine Angst vor nachteiligen Konsequenzen. Die gabs dann ja auch nicht.
Als ich damals rausrückte, war ich bereits angestellt, wenn auch noch in der Probezeit. Und ich bin heute noch in dem Laden ;).
Ich habe Jahre später meinem damaligen Überchef (dem C>hef vom Chef, also dem Bereichsleiter) beim Essen beiläufig von den Jesus Freaks erzählt und der fand es gut, was ich da machte.
Aber zurück zum Grundproblem: In keinem Vorstellungsgespräch, in keiner Bewerbung schrieb bzw. sagte ich ich, daß ich gläubiger Christ bin. Ergo hatte mein Glaube definitiv nichts mit meiner Nichtanstellung zu tun.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Wirtschaftsinstitut-sieht-keine-Anzeichen-fuer-Fachkraeftemangel-1135954.html